Keine andere Straße steht in München als Synonym für künstlerische Entfaltung, für Austausch und auch für den Untergang. An den Wänden im Schlachthofviertel, die die Tumblinger Straße in die Eisenbahn- und S-Bahnunterführung münden lässt, treffen Münchens Sprayer bei gutem und schlechtem Wetter, zu Tag. und Nachtzeiten zusammen und malen ihre Schriftzüge und Bilder an die Wände.
Hier, in der Isarvorstadt, befindet sich eine der äußerst raren Stellen in München. Denn hier ist es noch legal, die Spraydose auszupacken und Wände zu besprühen- auch ohne, dass man ein etablierter Künstler ist und einen offiziellen Auftrag in der Tasche hat.
Der Preis ist allerdings hoch, für dass, das man „unverfolgt“ und legal malen darf – sowohl für die Sprayer als auch für die Umwelt.
Mini Graffiti Stop-Motion Video ‘Tumblingerstraße’
Abschlussarbeit, designschule münchen
2010 RS YO / Musik: Mr.Polaroid
Zum einen muss man damit rechnen, sein geschaffenes Kunstwerk nicht lange bewundern zu können. Denn die Flächen sind heiß begehrt und so ist die Halbwertszeit einer Arbeit kaum in Tagen, vielmehr in Stunden anzugeben. Den stolzen Künstlern ist es nur zu raten, immer ein Kamera oder zumindest ein Handy zur Hand zu haben, um das Werk für die Ewigkeit zu konservieren.
Das zweite Problem liegt beim Maluntergrund bzw. beim Sprühlack. Offensichtlich haben die unzähligen Schichten an Farbe das Mauerwerk, das die Straße vom Schlachthofgelände trennt, zersetzt und mürbe gemacht. Es wurde von der Stadt bereits Abhilfe geschaffen und eine Holzwand vor der Mauer installiert – die Stellwand kann aber lediglich als zeitlich begrenztes Provisorium dienen und nicht als dauerhafte Lösung.
Einige Politiker haben sich dem Thema „Alternative Kunst in München“ bereits angenommen und versprechen, dem Notstand an legalen Wandflächen durch die Freigaben neuer Flächen beizukommen. Allen voran Frau Sabine Nallinger, die Oberbürgermeister-Kandidatin der Partei „Die Grünen“ plant in München neue Wände zu schaffen, um so der alternativen Kunst den Raum zu geben, den sie braucht und verdient.
Das Vorhaben und ihre Pläne stellte sie für den Blog i-love-urbanart.com zusammen. Der Bericht ist nachzulesen unter: „Flächen für Münchens Sprayer – Beitrag der OB-Kandidatin Sabine Nallinger“.
Ob sich an dieser offensichtlichen Misere auch im Falle eines Wahlsieges einer anderen Partei etwas ändern wird, bleibt abzuwarten.
Klar ist jedoch, dass Graffiti und Streetart als Kunstform schon längst die Grenzen der „Rand- und Zeiterscheinung“ überschritten und weit hinter sich gelassen haben. Die Stadt München hat die Chance, die Künstler an Stellen zu führen und zu halten, mit denen auch Hausbesitzer, Skeptiker und die ewigen Nörgler leben können sollten.
Mögliche Bestrebungen, Graffiti zu beschränken oder gar zu verbieten, können nur scheitern. Nur durch die Schaffung eines realistischen Angebots an alternativen Flächen ist es möglich eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen.