12 Februar bis 1. Juni 2025
Mit seiner ersten Einzelausstellung im deutschsprachigen Raum stellt der Kunstpalast den äthiopischen Künstler Elias Sime (*1968) vor. Spätestens seit der Teilnahme an der Venedig Biennale 2022 erfährt Sime international weitreichende Anerkennung und ist in den Sammlungen von über 40 Museen weltweit vertreten, darunter das New Yorker Metropolitan Museum of Art, das Detroit Institute of Arts oder das
Israel Museum in Jerusalem. Hierzulande gilt der in Addis Abeba lebende Künstler bislang noch als Neuentdeckung. Die Schau im Kunstpalast vereint 36 großformatige Arbeiten Simes, anhand derer seine
künstlerische Entwicklung von den frühen 2000er-Jahren bis heute nachvollzogen werden kann. Die monumentalen Collagen und Wandreliefs, die der Künstler aus Alltagsgegenständen und ausrangierten Elektronikelementen fertigt, lenken die Aufmerksamkeit auf den Einfluss der Technik und deren Auswirkungen auf unsere Konsumgesellschaft. Im Artist Talk am 12. Februar gibt Sime Einblick in
seine Arbeitsweise.

Einen wichtigen Platz in Elias Simes Werk nimmt seit jeher der Prozess des Materialssammelns und die Reise der Komponenten ein. Er bezieht den aus der ganzen Welt stammenden Elektroschrott in seiner Heimatstadt und sammelt bevorzugt Material, das bereits durch viele Hände gegangen ist. Die Fundstücke werden vorsortiert, bearbeitet und auf kleinen Holzplatten zusammengefügt, bevor Sime sie im Anschluss in engem Austausch mit seinem Team zu Bildern arrangiert. Die meist umfangreichen Kompositionen basieren dabei auf Skizzen des Künstlers.
Simes teils figürliche, teils abstrakte oder auch ornamentale Werke werden bestimmt von einer leuchtenden Farbgebung und expressiven Linienführung. Häufig wirken die Collagen wie aus der Vogelperspektive gesehene Landschaftsformen, in denen die Zivilisation ihre Spuren hinterlassen hat. Flora und Fauna Äthiopiens tauchen in den Bildern auf, dabei spielt die traditionelle Bedeutung der Tiere und mythischen Wesen eine wesentliche Rolle. Abgesehen von einer thematischen Bezugnahme auf die äthiopische Kultur spiegelt sich diese auch in der Anwendung volkstümlicher Praktiken, den geflochtenen Kabeln und gestickten Motiven sowie historischen Schnitz-, Web- und Bautechniken, die zum Einsatz kommen.
„Als der Kunstpalast 2004 mit Africa Remix die bis dahin umfangreichste Ausstellung afrikanischer Gegenwartskunst in Europa zeigte, war das Haus seiner Zeit voraus. Die im Anschluss erworbenen Werke von El Anatsui, Samuel Fosso oder Barthélémy Toguo zählen heute, rund 20 Jahre später, zu den Highlights unserer Sammlung“, erklärt Felix Krämer, Generaldirektor Kunstpalast. „Ich freue mich, dass wir daran anknüpfend unserem Publikum nun als erstes Museum im deutschsprachigen Raum diese längst überfällige Ausstellung präsentieren und mit Elias Sime einen Künstler vorstellen dürfen, von dem man zukünftig noch viel hören wird.“

Der Kern von Simes Methodik ist bereits in seinen kurz nach der Jahrtausendwende entstandenen Werken zu sehen, die den Anfang der grob chronologisch gegliederten Ausstellung markieren: Er vernäht und verwebt Objekte auf Leinwandträgern und bedient sich dabei überlieferter Handarbeitstechniken.
Das Jahr 2009 markiert die bislang größte Zäsur in Simes Werkentwicklung: Er beginnt, in der bis heute fortgeführten Werkreihe Tightrope elektronische und andere technische Materialien zu Wandcollagen zusammenzusetzen. Erst auf den zweiten Blick werden die unzähligen verarbeiteten Bauteile, wie verflochtene Kabel, zersägte Motherboards, Tastaturelemente und zerteilte Platinen sichtbar. Die Serie umfasst auch Skulpturen, darunter sechs 2020/21 entstandene Bodenarbeiten mit dem Titel Concave Triangles, von denen eine für den Kunstpalast erworben werden konnte.
„Elias Sime verwendet uns allen bekannte Materialien, nimmt sie vollständig auseinander und schafft daraus etwas Neues, das nicht nur einen Widerhall seines Ursprungs darstellt, sondern neue Bilder und Themen entstehen lässt, die stets die Aspekte von Kommunikation und Resonanz behandeln. Der Künstler stellt den Menschen und seine Verflechtungen in der Welt in das Zentrum seiner Kunst – und das Echo, das dieser hinterlässt. Wir hoffen, dass Simes Kunst mit dieser Ausstellung ebenfalls ein starkes Echo finden wird“, so Felicity Korn, Leitung Sammlung des 20. und 21. Jahrhunderts.

Alle von Sime genutzten Bestandteile waren ursprünglich mit Kommunikationsvorgängen verknüpft. Sie sind global und verleihen den Verwicklungen und Verbindungen in der Welt Sichtbarkeit. Sime sieht hier einen universellen Charakter verwirklicht: „Es geht nicht um Äthiopien. Es geht nicht um Afrika. Die Globalisierung ist überall. Sie ist in jedem einzelnen Leben präsent, unabhängig davon, ob es uns gefällt oder nicht. Diejenigen, die meinen Namen nicht kennen, nicht wissen, wer ich bin, werden dennoch beim Blick auf meine Kunst wissen, wo das alles herrührt. Es geht um das menschliche Leben. Darum, wie es ist.“
Simes Arbeiten handeln von allgemeinen menschlichen Erfahrungen und adressieren ein weltweites Publikum – die Themen, die ihn interessieren, betreffen uns alle.
Das Kunstzentrum Zoma Contemporary Art Center in Addis Abeba nimmt im Œuvre Simes eine zentrale Rolle ein. Gegründet wurde es 2002 gemeinsam mit der Kuratorin, Schriftstellerin und Anthropologin Meskerem Assegued, mit der Sime bis heute eng zusammenarbeitet. Mehrere Areale für Künstler*innen und eine interessierte Öffentlichkeit errichteten sie unter Bewahrung traditioneller äthiopischer Bautechniken und entwickeln diese in enger Kollaboration mit ihrem Team stetig weiter. Neben einer Galerie und Unterkünften finden sich dort eine Bibliothek, Gastronomie, eine Grundschule, ein Kindergarten sowie ein botanischer Garten und Landwirtschaft. In Zoma verschmelzen drei grundlegende Elemente, die auch für Simes Kunst wesentlich sind: die Verbindung zu seiner Heimatstadt, seine Auseinandersetzung mit äthiopischen und internationalen Lebensweisen sowie sein Bestreben, die Grenzen zwischen Architektur, Skulptur und Kunsthandwerk aufzubrechen. Der Schweizer Kunsthistoriker und Kurator Hans Ulrich Obrist beschreibt den Komplex als Gesamtkunstwerk. Einen Eindruck dieser Orte erhält man in der Ausstellung im Kunstpalast in zwei Filmen.

Sämtliche Werke von Sime fußen auf Zusammenarbeit. In seinem Studio in Addis Abeba wird sie gelebt. Für die Ausstellung wurde im Vorfeld unter Mitwirkung von drei Düsseldorfer Schulklassen ein Werkstattraum ausgestattet – ein Ort der Begegnung, an dem Veranstaltungen und Angebote stattfinden. Mitten in der Schau lädt dieses Open Studio Besucher*innen dazu ein, mit an Materialien und Techniken des Künstlers zu experimentieren und eigene Werke zu schaffen.
Am 12. Februar ab 18 Uhr geben Elias Sime und seine langjährige Kollaborateurin Meskerem Assegued im Artist Talk mit Kuratorin Felicity Korn Einblicke in seine Kunst, die in den Arbeiten verwendeten Materialien und die diesen innewohnenden Geschichten. Der Eintritt zum Künstlergespräch ist frei.
Die vom Arnolfini in Bristol initiierte Ausstellung wurde für den Kunstpalast weiterentwickelt.
Kuratorin: Felicity Korn, Sammlungsleitung Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, Kunstpalast

Elias Sime
Der 1968 in Addis Abeba geborene Elias Sime studierte von 1986 bis 1990 Grafik an der School of Fine Arts and Design in seiner Geburtsstadt. Im Anschluss begann er mit Materialassemblagen zu experimentieren und finanzierte sich durch den Verkauf kleiner Holzskulpturen. Gemeinsam mit der Kuratorin, Schriftstellerin und Anthropologin Meskerem Assegued gründete er 2002 das Zoma Contemporary Art Centre im Jara Park. Dort organisierte sie Simes erste Einzelschau, die den Beginn von Simes öffentlicher Wahrnehmung markiert.
Die erste internationale Einzelausstellung mit seinen Werken fand 2009 im Santa Monica Museum in den USA statt. Sime nimmt 2022 an The Milk of Dreams, der zentralen Ausstellung der 59. Biennale von Venedig, teil. Seine Arbeiten befinden sich in bedeutenden Sammlungen wie dem Metropolitan Museum, New York, Saint Louis Art Museum und dem Israel Museum, Jerusalem.