Über die Dreistigkeit, über den Argwohn und die Prahlerei
Der Begriff der Moralphilosophie mag für viele abstrakt, theoretisch und somit abschreckend wirken, aber die Gedanken und Überlegungen des bedeutenden Philosophen und Politikers Francis Bacon (Januar 1561 in London bis 9. April 1626 in Highgate bei London) beziehen sich auf das unmittelbare Leben und sind so allgemeingültig, dass sie auch heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben.
Die intensiven Collagen des Leipziger Malers und Fotografen Sighard Gille interpretieren in der Ausgabe von Faber & Faber die moralphilosophischen Essays des englischen Autors und holen die 400 Jahre alten Schriften auch optisch ins Hier und Heute.
In 30 kurzen Schriften widmet sich Bacon den Eigen- und Unarten der Menschen, der Politik und dem ganzen Rest, den das Leben mit sich bringen kann. Angefangen bei der Frage: Was ist Wahrheit, Neid, Liebe? Über das Geldausgeben, Prahlerei, über Gärten und allgemein die Wandelbarkeit der Dinge.
Auch wenn die Texte teilweise und naturbedingt manchmal ein wenig aus der Zeit gefallen wirken und uns manche Beispiele fremd erscheinen (der Argwohn von Heinrich VII von England wird den wenigsten heutigen Lesern präsent sein), sind die Texte doch topaktuell und allzu menschlich – vielleicht waren sie es auch sogar schon immer und werden es auch in Zukunft bleiben.
„Man sollte argwöhnische Gedanken entschieden unterdrücken oder doch wenigestens überwachen. Argwohn umwölkt das Gemüt, kostet Freunde und hemmt Geschäfte […] In furchtsamen Naturen dagegen fasst er nur zu schnell Wurzel. Nichts macht den Menschen argwöhnischer als Ungewissheit; und deshalb sollte man einem Verdacht dadurch steuern, dass man sich mehr Gewissheit verschafft, ihn aber nicht heimlich schwelen lässt.“ (Seite 110)

Die topaktuellen und unterhaltsamen Betrachtungen des Alltags aus Sicht von Bacon, die immer wieder mit Anspielungen und Beispielen angereichert sind, werden begleitet von 30 Illustrationen und Collagen des Leipziger Künstlers Gille.
Über das Glück berichtet der Philosoph:
„Unleugbar tragen äußere Umstände viel zum Glück bei, wie Gunst, Gelegenheit, Ableben anderer, Zufall, der der Fähigkeit zupass kommt. Allein die eigentliche Gussform des Glücks liegt für jeden Menschen in der eigenen Hand. „Faber quisque Fortunae suae“, sagt der Dichter;“ (Seite 135 f)
Es sei angemerkt, dass die klassischen Herleitungen und Verweise, glücklicherweise im Anhang übersetzt sind.

Zu Francis Bacon:
Aus Francis Bacons Doppelkarriere als Philosoph und Politiker ergab sich, dass er zahlreiche philosophische, literarische und juristische Schriften verfasste, die aber nicht immer sogleich publiziert wurden. Nach frühen politischen Denkschriften, u. a. für Königin Elisabeth, veröffentlichte Bacon erstmals einige seiner „Essays“ 1597. (Siehe: Wikipedia). Besonderen Einfluss und Wirkung hatten und haben seine Essays auch heute noch auf seine Leser.
Zu Sighard Gille:
Der Künstler zählt zu den wichtigsten Vertretern der Leipziger Schule. 1941 gebroren hat der spätere Maler, Grafiker und Fotograf bei der Bernhard Heising an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert. 1992 wurde er in Leipzig zum Professor berufen. Unsterblichkeit erlangte er vermutlich durch sein 712 Quadratmeter großes, öffentlich zugängliches Deckengemälde, eine Paraphrase auf das Lied von der Erde von Gustav Maler im Foyer des Gewandhauses in Leipzig.
Details zum Buch:
Über die Dreistigkeit, über den Argwohn und über die Prahlerei
Die gesammelten Essays
Herausgegeben von Faber & Faber
Übersetzt aus dem Englischen von Elisabeth Schücking
Mit 30 farbigen Collagen
von Sighard Gille