Zugegeben, anfangs war ich etwas skeptisch, was das Buch „100 Street Styles: Rock’n’Roll bis Retro: Mode von der Straße“ wohl zu bieten hätte…. Aber schon das erste Durchblättern war eine Zeitreise voller netter Erinnerungen, „AHAs“ oder erneuten Gelegenheiten, um sich maßlos fremdzuschämen…
Der Londoner Modejournalist Josh Sims hat die 100 wichtigsten und einflussreichsten Street Styles des 20. und 21. Jahrhunderts in diesem Werk (im Prestel Verlag) zusammengetragen und präsentiert eine detaillierte, reich bebilderte Übersicht über ihre zeit- und kulturgeschichtlichen Hintergründe. Auf eine bzw. zwei Doppelseiten werden die wichtigsten Merkmale und Attribute bildreich erläutert und der Einfluss, den sie auf die Modegeschichte ausgeübt haben angerissen. Selbstverständlich erhebt er hierbei nicht den Anspruch auf Vollständigkeit – aber um einen Überblick zu erhalten ist „100 Street Styles“ ideal.
Surfer, Skater, Rocker, Gangsta-Rapper, Hipster oder Manga-Mädchen – die Looks der Straße erobern seit Jahrzehnten die Laufstege und die Mode-Strecken einschlägiger Magazine. Denn die Zeiten, in denen die Modewelt nur danach schaute, was „Paris“ trägt, sind spätestens mit Facebook und den unzähligen, zumeist unabhängigen Fashion-Blogs endgültig vorbei. Hervorgegangen aus Subkultur, Protest- und Jugendbewegungen abseits des gesellschaftlichen Mainstreams, sind die modisch oft eigenwilligen Street Styles Ausdruck von Individualität, Originalität, Leidenschaft und Authentizität ihrer Träger, die sich damit einem bestimmten Milieu zugehörig zeigen und versuchen sich gegen die graue Masse abzugrenzen. „Denn so, wie die Avantgardisten Anleihen bei der bürgerlichen Mode machten und diese in ihrem speziellen Stil interpretierten, holten sich auch High-Fashion-Designer wie Vivienne Westwood, John Galliano oder Raf Simons immer wieder Inspirationen von der Straße und ließen diese in ihre Entwürfe einfließen.“
Aus dem Inhalt:
Tattoos:
Lange Zeit wurden Tätowierungen im Westen beinahe unweigerlich mit Kriminellen, Matrosen und Außenseitern statt mit ihrer viel älteren Geschichte bei diversen Volksgruppen verbunden.
Das machten sie zweifelsohne zu einem Tabu, das irgendwann einmal gebrochen werden musste: Ab den 1960er- und noch stärker den 1990er Jahren galt ein Tattoo unter Jugendlichen als Zeichen der Individualität. Es stand für das Erwachsensein – und den symbolischen Bruch mit dem Elternhaus.
Customizing
„Die Kids rasen heute genauso wie ich in den 1950ern“, bemerkte Georg Barris 2010. „Es war gefährlich, aber großer Spaß. [Ein Auto ist] ein erweiterter Ausdruck seines Besitzers, wie der eigene Modestil oder eigene Haus. Die Leute wollen, dass sich ihres von den anderen unterscheidet. Das ist der Ursprung der Customizing das Auto als Ausdruck von Individualität.“
Grunge
Es ist größtenteils dem Grunge zu verdanken, dass Kleidung aus Secondhandgeschäften im 21. Jahrhundert Mode wurde. Grunge zeigte, dass auch aus Sparsamkeit ein Stil entstehen konnten – auch wenn natürlich vorrangig mit dem Begriff ein Musikstil bezeichnet wurden. Er entwickelte sich aus der Ablehnung von Mode ironischerweise ein eigener Stil – denn es war klar: Einem eigene Trend zu folgen, würde die Integrität der Musik unterwandern.
Decora
Die meisten Kinder sträuben sich gegen alles Niedliche, wenn sie erwachsen werden wollen. Die japanische Subkultur Decora drehte den Spieß um: In den späten 1990ern in Tokios Vierteln Harajuka und Shibuya entstanden, erreichte, der Stil Mitte der 200er seinen Höhepunkt, als Frauen ihrem Look jegliches kindliche Kleidungsstück hinzufügte.
Über das Buch
- Gebundene Ausgabe: 216 Seiten
- Verlag: Prestel Verlag
- Erschienen 29. April 2014
- Originaltitel: 100 Ideas That Changed Street Style