1000 Jahre Freud und Leid erzählt die Erinnerungen des mittlerweile weltbekannten, furchtlosen chinesischen Ausnahmekünstlers Ai Weiweis, die tiefe Einblicke in sein Leben, das seines Vaters und seiner Familie. Zugleich entlarvt das Buch die Strukturen und Prinzipien eines autoritären, ängstlichen Staates und dessen System der Unterdrückung.
Das Buch berichtet über die Repressionen und die Zensur, die bereits sein Vater, der Dichter, Maler und Regimekritiker Ai Qing, im neu-entstehenden kommunistischen Staat unter Mao erleiden musste. Das Exil und die Unterdrückung, der Ai Qing ausgesetzt war, war eng mit dem Leben und den Entbehrungen des Sohns Ai Weiwei verknüpft. Das Schicksal des Vaters prägte ihn nachhaltig und war nach eigenen Aussagen maßgeblich ausschlaggebend aus Ai Weiwei den unbequemen Künstler zu machen, der er heute ist.
„Wenn ich an meinen Vater denke, so empfinde ich Bedauern, weil ich zu wenig Neugierde über die Unbill zeigte, die er ertragen musste, und es mir an Einfühlungsvermögen und Verständnis mangelte, als ich jünger war. Während der Wochen in geheimer Haft fürchtete ich nicht, meinen Sohn nie mehr wiederzusehen, sondern ihm keine Gelegenheit geben zu können, mich richtig kennenzulernen. Und so kam mir die Idee, im Fall meiner Freilassung die Kluft zwischen uns zu überbrücken, indem ich niederschrieb, was ich von meinem Vater wusste, und meinem Sohn ehrlich zu erzählen, wer ich bin, was das Leben für mich bedeutet, warum die Freiheit so wertvoll ist und warum ein autoritäres Regime die Kunst fürchtet. Ich hoffte, meine Überzeugungen könnten Gestalt annehmen, sodass er sie sehen und im Herzen und im Geiste spüren könnte. Wenn Ai Lao eines Tages mehr wissen wollte, wäre alles da – meine eigene Geschichte und die seines Großvaters.“
Ai Weiwei – Aus: Ai Weiwei 1000 Jahre Freud und Leid | Erinnerungen
Mit großer und brutalerer Klarheit, beschreibt Ai Weiwei die Unterdrückung und die Leiden der Menschen während des großen Umbruchs, die China und sein System nach vorne bringen sollte – und dabei versagte. Aber auch die kleinen, alltäglichen Probleme und Sorgen werden in der packenden Biografie beschrieben.
Der „Große Sprung nach vorne“, der Million von Chinesen das Leben kostete, war eine unerbittliche Industrialisierungskampagne, die in der größten Hungersnot der Menschheit endete. Die „Proletarische Kulturrevolution“ von Mao mündete in einen Terror, der China für ein Jahrzehnt ins Chaos stürzte.
aus: planet-wissen.de
Ai Weiweis Zeit in New York und der Beginn seines künstlerischen Wirkens wird zu keiner Zeit als ein unbeschwerter oder glorreicher Gegenpart zur Unterdrückung durch die kommunistische Regierung dargestellt. Auch in der US-Metropole deckt der Künstler die Unzulänglichkeiten des US-Staats und des kapitalistischen Systems schonungslos auf und scheut auch keinen Vergleich zu seiner Heimat, die – trotz aller Unterdrückung und Unzulänglichkeiten – in manchen Punkten sogar besser abschneidet.
Zurück in China beschreibt der Autor seinen stetig wachsenden Einfluss – nicht zuletzt Dank des Internets – und seinen Aktionen, mit denen er immer wieder seinen Finger in die Wunden legt und einen Staat enttarnt, der nur allzu gerne Skandale und Unfähigkeit vertuschen würde. Es verwundert wenig, dass er sich dadurch einflussreiche Feinde im Staatsapparat machte und so endet das Buch auch mit Ai Weiweis Verhaftung, dem anschließenden Hausarrest und seiner endgültigen Ausreise.
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Das Buch „1000 Jahre Freud und Leid“ ist eine fesselnde Erinnerung, die tiefe Einblicke in das Leben und die Familie des herausragenden Künstlers Ai Weiwei gewährt. Weder China noch andere Staaten, die Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen zulassen, werden in dem Buch geschont. Neben einer Biografie seines Vaters Au Qing und seines eigenen Lebens, ist das Buch ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit, Wahrheit, die Freiheit der Kunst sowie die Freiheit jedes einzelnen.
Über Ai Weiwei
Ai Weiwei, geboren am 28. August 1957 in Peking als Sohn des chinesischen Dichters, Malers und Regimekritikers Ai Qing, ist ein bedeutender Konzeptkünstler, Bildhauer und Kurator aus China. Der Menschenrechtsaktivist und Dissident wurde im Zuge seiner regierungskritischen Äußerungen während der Proteste in China im Jahr 2011 von April bis Juni desselben Jahres inhaftiert. Aufgrund seines Engagements hatte er bis 2015 ein Reiseverbot. Nach seiner Freilassung verließ er China und verbrachte die Jahre bis 2019 in Berlin, gefolgt von einem Aufenthalt in England bis 2021. Seitdem hat er seinen Wohnsitz in Portugal.
Ai Weiwei wurde als Sohn von Gao Ying und Ai Qing geboren. Sein Halbbruder, der Maler Ai Xuan, ist in China weithin bekannter als Ai Weiwei. In seiner Autobiografie beschreibt Ai Weiwei seine Kindheit während der zwanzigjährigen Verbannung seines Vaters, die ihn in die Mandschurei und nach Xinjiang führte.
Im Jahr 1978 schrieb sich Ai Weiwei an der Pekinger Filmakademie ein, wo er unter anderem mit den renommierten chinesischen Regisseuren Chen Kaige und Zhang Yimou studierte. Als Gründungsmitglied der Künstlergruppe Stars Group im Jahr 1979 lehnte er die staatlich vorgegebene chinesische Kunst ab. Von 1981 bis 1993 lebte er hauptsächlich in den USA, insbesondere in New York. Während dieser Zeit widmete er sich Performance-Kunst, Konzeptkunst, Dadaismus und Pop Art. Ai Weiwei begann 1983 in New York ein Studium an der Parsons School of Design mit einem Stipendium, das jedoch aufgrund einer nicht bestandenen Kunstgeschichtsprüfung nach einem Jahr nicht verlängert wurde. Anschließend hielt er sich eigenen Angaben zufolge illegal in den Vereinigten Staaten auf.
1993 kehrte er nach Peking zurück, motiviert durch die Erkrankung seines Vaters, und ließ sich im Kunstbezirk Dashanzi nieder. Ai Weiwei ist mit der Künstlerin Lu Qing verheiratet. Aus einer außerehelichen Beziehung, die ihm den strafrechtlichen Vorwurf der Bigamie einbrachte, stammt sein Sohn Lao, der um 2008 geboren wurde und bei seiner Mutter Wang Fen in Berlin lebte.
Ai Weiwei
1000 Jahre Freud und Leid | Erinnerungen
Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz, Elke Link
Originaltitel: 1000 Years of Joys and Sorrows: A Memoir
Verlag: Penguin Verlag