„Neuste Leipziger Schule“
Schlägt man den Begriff des Antipoden – aus dem Griechischen antí „gegen“ und poús „Fuß“ also „Gegenfüßer“ – nach, dann landet man bei der Bezeichnung für die auf der gegenüberliegenden Seite der Erde liegenden Gebiete sowie für die dort lebenden Menschen.
Unversöhnlichkeit von Figuration und Abstraktion
Dieser, in der antike geprägte Begriff, hat aber auch eine übertragene intellektuelle oder auch politische Bedeutung. Hier werden Gegner mit entgegengesetzten respektive unvereinbaren Anschauungen und Auffassungen oder Interessen beschrieben.
Im Fall der Neusten Leipziger Schule spielt der Begriff der Antipoden auf die Gegensätze und die scheinbare Unversöhnlichkeit von Figuration und Abstraktion an, die die jungen Maler*innen erfahren haben, die „fast alle im Jahrzehnt vor der Wiedervereinigung geboren [wurden]“ und „einen wesentlichen Teil ihrer Ausbildung an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig absolviert [haben]“. Wie gehen sie mit diesem Zwiespalt um? Ist diese Zerissenheit in ihren Arbeiten zu sehen?
Es sind nicht nur die Geburtsjahre, die als Weiche hätte fungieren und trennende Richtungen vorgeben können. Es gibt aber noch weitere scheinbare Gegensätze, also Antipoden, in der Kunst. Neben Gegenständlichkeit und Ungegenständlichkeit, stehen traditionelle Bildmedien der Konzeptkunst gegenüber. Oder aber Malerei versus Fotografie, denn die Erfindung der Fotografie hätte den Tod der Malerei zur Folge – so wurde behauptet. Zum Glück war das Gegenteil der Fall, wie wir am Realismus, Impressionismus oder Symbolismus sehen.
Ein gleichberechtigtes Nebeneinander verschiedener Stilformen
Und auch in der Leipziger Malerei ist von einem Gegensatz nichts zu sehen. Vielmehr stehen hier „gegenständliche und ungegenständliche Strömungen selbstverständlich nebeneinander. […] Einige Künstler aus der Leipziger Maltradition fühlen sich sogar beiden Richtungen verpflichtet.“
Asli Özdemir und Defne Kizilöz widerlegen ebenfalls den historischen Antipoden-Gedanken und definieren diesen um: „Die Leipziger Schule weist keinen einheitlichen Stil auf, sondern ein gleichberechtigtes Nebeneinander verschiedener Stilformen. Ihre Kunst ist nicht die Arbeit eines Kollektivs, ganz im Gegenteil. Es sind Gegensätze, Antipoden, die sich voneinander absetzen, um sich doch nie fern zu sein. Was zählt: Am Ende stehen immer Bilder, die in der Lage sind, ihre eigene Geschichte zu erzählen.“
Details zum Buch:
Antipoden? Neueste Leipziger Schulehttps://www.seemann-henschel.de
Frank Zöllner
E.A. Seemann Verlag