23.07. bis 03.11.2019 | Museum der bildenden Künste Leipzig
Ausstellung: Point of No Return – Wende und Umbruch in der ostdeutschen Kunst
„Point of No Return“ könnte auch der Titel zu einer Ausstellung über die Mondlandung oder die Raumfahrt im Allgemeinen sein; beschreibt aber hier einen ganz andere Entwicklung, die ebenfalls, ab einem gewissen Punkt, nicht mehr aufzuhalten war: Die Friedliche Revolution in der DDR 1989.
30 Jahre nach diesem Ereignis, wird es Zeit auch mal die Perspektive der bildenden Künste auf diese Revolution in der DDR einzunehmen und auf den gesellschaftlichen Umbruch in Ostdeutschland zu blicken.
„Point of No Return“ zeigt im Museum der bildenden Künste Leipzig auf etwa 1.500 Quadratmetern mehr als 300 Werke aller Gattungen – von über 100 KünstlerInnen. Als symbolischer Hauptort der Friedlichen Revolution wurde Leipzig gewählt, um die deutschlandweit erste große Ausstellung zu diesem Thema zu präsentieren, die als wichtigste Exposition im 30. Jubiläumsjahr gelten kann.
Von der politischen Zeitrechnungen unabhängigen!
Die Auswahl der Arbeiten nahmen das Kuratorenteam Paul Kaiser (Direktor Dresdner Institut für Kulturstudien), Christoph Tannert (Leiter Künstlerhaus Bethanien, Berlin ) und Alfred Weidinger (Direktor MdbK) vor und hatten hierbei nicht die Darstellung der „politischer Zäsuren“ im Sinne, sondern vielmehr die „grundlegende Akzeptanz der künstlerischen Eigenlogiken“.
„Den Kuratoren geht es dabei um die Präsenz einer eigensinnigen, radikalen und von politischen Zeitrechnungen weitgehend unabhängigen Kunst, die in der Vielzahl – und auch in der bisweilen gegeneinander gerichteten Form ihrer Handschriften, Modelle und Denkarten – das Phänomen in Aktion und Reflexion kartografiert.
Dabei bezieht die Ausstellung die unmittelbare Vorgeschichte der Friedlichen Revolution ebenso mit ein wie die Transformationszeit nach „1989“. Die Ausstellung zeigt somit die bereits in den 1980er Jahren auffallenden „Risse in der Mauer“ und deren Gründe. Und sie thematisiert den unerwarteten Fall der Mauer wie die Neudefinition künstlerischen
Schaffens im gesellschaftlichen Umbruch. Dies geschieht nicht zuletzt deshalb, da wichtige Werke einer künstlerisch-reflexiven Bezugnahme auf die Friedliche Revolution einerseits als Antizipation, Ahnung oder Aktion bereits im Vorfeld der revolutionären Ereignisses erfolgten und andererseits gültige Positionen erst mit Distanz, Abstand und
beobachtetem Wandel gesellschaftlicher Zusammenhänge zu entstehen vermochten.“
Arbeiten aus unterschiedlichen Milieus, um separierte Wahrnehmungen zu überwinden
Ganz klar richtet sich das Konzept der Ausstellung „Point of No Return“ gegen eine „kulturpolitische Blickverengungen“ bei der Betrachtung der in der DDR und nach „1989“ in Ostdeutschland geschaffenen Werke. Daher will sich die Ausstellung, im Unterschied zu Vorgängerprojekten, nicht auf ein Teilmilieu der ostdeutschen Künstlerschaft beschränken, sondern versucht dabei „separierte Wahrnehmungen durch die Integration vieler bislang weitgehend unbekannter Werke aus unterschiedlichen Milieus“ zu überwinden.
Die Ausstellung zeigt, „zur Veranschaulichung des spannungsvollen Gesamtzusammenhangs“, Arbeiten von Künstlern mit unterschiedlichem Intensionen. So zum Beispiel:
„Hiergebliebenen“,
„Rebellen und Reformern“
„Dissidenten“, die die DDR zum Mauerfall 1989 bereits hinter sich gelassen hatten.
Dabei treffen Formen von „innerer und äußerer Emigration“, „kritische Loyalität“ sowie sozialistischen Reformhoffnung „Aufruf für unser Land“ (26. November 1989) aufeinander.
„Neu an der Darstellung ist ebenso, dass Arbeiten von KünstlerInnen gezeigt werden, die zwar noch in der DDR geboren wurden, aber nicht mehr die unmittelbare Erfahrung eines Lebens im Staatssozialismus mit ihren älteren Kollegen teilen. Interessant ist dabei, dass sich viele junge KünstlerInnen heute ganz bewusst in einen Kontext ostdeutscher
Kunstproduktion stellen, dabei Fragen von Herkunft, Tradierung von Eigensinn und Mentalität oder auch von Hegemonie und „Kolonialisierung“ aufgreifend.“
Das komplexe Phänomen von „Wende“ und Umbruch kann nur mit dieser Durchmischung eine empirisch subjektive Wahrhaftigkeit darstellen, um eine „kunsthistorische Wahrheit“ zu erlangen und eine zeithistorische Gewissheit und vorherrschende kunstbetriebliche Vorurteile zu sprengen.
„Die KünstlerInnenliste macht deutlich, dass sich politische und ästhetische Diversität in allen Segmenten finden lässt und nicht weiter von homogenisierten Kunstbegriffen oder Künstlerrollen ausgegangen werden kann. Insofern bietet die Ausstellung mit dem Fokus auf die facettenreiche Hinwendung zum Revolutionsereignis auch die Chance, die divergierenden Positionen ostdeutscher Kunst in bildnerischen Kontrasten und
Themenclustern aufzuzeigen, ohne abweichende Vorstellungen von vornherein mit dem Kampfvokabular des deutsch-deutschen Bilderstreites für erledigt zu erklären.“
Anmerkungen
PETER UND IRENE LUDWIG STIFTUNG
Die Ausstellung wird großzügig gefördert durch die Peter und Irene Ludwig Stiftung. Irene und Peter Ludwig haben seit der Mitte der 1970er Jahre Kunst der DDR gesammelt und 1983 das Institut für Kunst der DDR in Oberhausen initiiert. 2009 hat die Ludwig Stiftung die über 160 Gemälde und Skulpturen aus Oberhausen als Dauerleihgabe dem MdbK übergeben. Wesentliche KünstlerInnen und Werke dieses Teils der Sammlung Ludwig finden sich in der Ausstellung.
KONTAKT UND INFORMATIONEN
Museum der bildenden Künste Leipzig
www.mdbk.de | # MdbKLeipzig
Titel-Bild:
Norbert Wagenbrett, Aufbruch (aus dem Zyklus „Sieben Bilder zur Geschichte der Sowjetunion“), 1989/90, Öl auf Leinwand, 181 x 132 cm, Kunstarchiv Beeskow, Foto: Andreas Kämper, © VG Bild-Kunst Bonn, 2019