Ausstellungankündigung:
Zeitgenössischer Aktivismus zwischen Haltung und Stil
22. Dezember 2021 – 16. Januar 2022
Die Ausstellung setzt sich künstlerisch mit den Erscheinungsformen und der Ästhetik von Protest-bewegungen auseinander. Seit 2020 entwickeln Studierende der Klasse des Künstlers Christian Jankowski an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart gemeinsam mit dem Studiengang Mode der Hochschule Pforzheim hierzu Interventionen, von denen nun einige im Kunstmuseum Stuttgart erstmals präsentiert werden. Die Ausstellung ist Teil des Kooperationsprojekts »Wir sind das Volk. Ästhetik der Protestbewegungen im 20. Jahrhundert«.
Von den `68 bis zur Pegida
In Deutschland gibt es – wie in anderen Ländern Europas – eine lange Protesttradition. Die seit 1945 steigende Protestbereitschaft der Bürger_innen ist Teil gelebter Demokratie, die Menschen gehen auf die Straße, um sich politisch zu artikulieren; Proteste tragen zur Konfliktbewältigung bei und sind ein wichtiges Ventil für aufgestauten Unmut.
Das prägende Kapitel jüngerer deutscher Protestbewegungen beginnt mit den Studentenunruhen von 1968, in den 1970er-Jahren kam der Protest der Frauen dazu, die für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung auf die Straße gingen, gefolgt von der Anti-Atomkraft- und der Friedensbewegung in Ost und West. Die Leipziger Montags-Demonstrationen mit der Forderung »Wir sind das Volk« standen am Anfang des Mauerfalls. Proteste wie Occupy Wallstreet, Fridays for Future, Stuttgart 21, die Besetzung des Hambacher
Forsts, verstärkt durch das neue Phänomen der Social Media, sind nicht wegzudenken aus der politischen Kultur des 21. Jahrhunderts – aber auch Pegida und der Aufmarsch rechtsradikaler Bündnisse wie 2018 in Chemnitz.
Ästhetische Zeugnisse der Protestkultur
Slogans wie »Frieden schaffen ohne Waffen« oder »Schwerter zu Pflugscharen«, »Atomkraft? Nein danke«-Buttons mit lachender Sonne, Transparente, Banner, Absperrungen, Menschenketten, Mahnwachen, Megaphone, Pfeifkonzerte, gelbe Westen, Fackeln und Kerzen sind ein Teil der ästhetischen Zeugnisse dieser Protestkultur. Das inszenatorische Potenzial der Menschen auf der Straße wird von den Medien aufgezeichnet. Kameras halten auf die Menschenmengen, Mikrofone sammeln Statements der Protestierenden, danach setzt die Verbreitung über die Newskänale, YouTube oder Twitter ein.
Das Kampagnenmotiv zur Ausstellung stammt von Jina Shin. Ihre Foto-Arbeit Schlaf in Frie-
den zeigt eine nächtliche Szenerie, bei der eine liegende maskierte Sexpuppe von einer »Guy Fawkes«-Masken tragenden Meute beglotzt wird. Die Inszenierung weckt Erinnerungen an Goyas Los Caprichos und seine schwarzen Bilder. Aber das Aufeinanderprallen so unterschiedlicher Codes wie der üblicherweise von Aktivist:innen getragenen Anonymous-Maske mit der auf wenige Attribute reduzierten Puppe, die mit den Spaten vermeintlich verscharrt werden soll, macht uns alle zu unschlüssigen Voyeur:innen.
In Kooperation mit Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Hochschule Pforzheim
Gefördert durch TRAFO – Netzwerk transferorientierter Lehre in Baden-Württemberg
Weitere Informationen auf: kunstmuseum-stuttgart.de/ausstellungen/protestbereitschaft