Kaum ein Œuvre wird so kontrovers diskutiert, wie das des deutschen Künstlers Willi Sittes (1921–2013). Nach dem Krieg ließ er sich – vertrieben aus seiner Heimat Böhmen – in Halle an der Saale nieder; dort lebte und arbeitete bis zu seinem Tod 2013.
Seine Person, sein Schaffen sowie sein Wirken waren eng mit dem der SED und der DDR verbunden. Genau diese Verbundenheit sorgten auch für teilweise massive Vorwürfe und Anfeindungen nach dem Mauerfall und dafür, dass sein Nachlass nach Merseburg ausgelagert wurde.

2021- gut 30 Jahre nach der Wiedervereinigung – ist nun durch die Willi-Sitte-Retrospektive im Kunstmuseum Moritzburg in Halle (Saale) ein weiterer Schritt bei der Aufarbeitung der Kunst in der DDR gemacht worden.
„Keines der größeren Museen in Ost wie West wagte sich an das Werk des umstrittenen Künstlers heran. Zu komplex wirkte Sittes Welt, zu wenig erforscht seine Entwicklung über vier Jahrzehnte zwischen 1945 und 1989, zu unklar seine tatsächliche Rolle im Kunst- und Kultursystem der DDR, zu unklar das Gewicht des Kulturpolitikers neben dem des Künstlers. […] Selbst 2021, dem Jahr des 100. Geburtstags des Künstlers, findet außer Sittes Welt – leider – keine weitere museale Auseinandersetzung mit seinem Schaffen statt.“
Thomas Bauer-Friedrich (Direktor des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) im Vorwort von „Sittes Welt | Willi Sitte – Die Retrospektive“

Das Gesamtwerk Willi Sittes
„Sittes Welt“ zeigt erstmals seit der Wiedervereinigung, das zwischen den 1930er Jahren und der Jahrtausendwende entstandene Gesamtwerk des bekanntesten, zugleich aber auch umstrittensten Malers der DDR. Mit der zeitgleichen Rekonstruktion von Sittes Einfluss und Wirken als Kulturpolitiker und Präsident des Verbands Bildender Künstler in der DDR wird die Publikation zu einer ersten umfassenden und sachlichen Auseinandersetzung mit Leben und Werk des Künstlers.
Willi Sitte in seiner Rolle als Maler und Grafiker, Hochschullehrer und einflussreicher Kulturfunktionär einer der wichtigsten Repräsentanten des offiziellen Kunstsystems der DDR. Die daraus entstandene kontroverse Entwicklung des Künstlers wird exemplarisch anhand wichtiger Werke ausführlich diskutiert, um den Konflikt nachvollziehen zu können, beim „Eintreten für Autonomie und Moderne sowie seinem Engagement für das Kunstprogramm des Sozialistischen Realismus“.
Der Katalog zur großen Retrospektive im Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), anlässlich seines 100. Geburtstags, versammelt erstmals Werke aus öffentlichen und privaten Sammlungen gemeinsam in einem Band.

Der Künstler & Kulturfunktionär Sitte
Deutlich wird Sittes Handeln, sowie seine Motivation und die Beweggründe, durch seine Arbeit das System mehr und mehr zu unterstützen und zu stärken. Die Publikation setzt sich aber auch mit der Verschränkung von Kunst und Politik im DDR-Staatssystem auseinander. Die umfassend recherchierte Darstellung der Hintergründe vermittelt ein neues Bild vom Aufstieg des Malers zum einflussreichsten Künstler der DDR.

Neubetrachtung und Interpretation Sittes Werke
Herausgegeben von Thomas Bauer-Friedrich, Direktor des Kunstmuseums Moritzburg, und Paul Kaiser, Direktor des Dresdner Instituts für Kulturstudien und Experte für ostdeutsche Kunst, ist „Sittes Welt |
Willi Sitte: Die Retrospektive“ die erste objektive Aufarbeitung der als Staatskunst bezeichneten Kunst Willi Sittes, der neben Tübke, Heisig und Mattheuer der prominenteste Maler der DDR war.
Die Publikation gibt einen hervorragenden Überblick über Sittes Leben und Werk und eröffnet gleichzeitig die Diskussion. Die objektiven Darstellung der Hintergründe, Fakten und Quellen geben außerdem einen Einblick in die Möglichkeiten und Wege, die Künstlerinnen und Künstler in der DDR grundsätzlich zur Verfügung standen.
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Sittes Welt
Willi Sitte: Die Retrospektive
Thomas Bauer-Friedrich, Paul Kaiser
E.A. Seemann Verlag