Ausstellungsdauer: Bis zum 11. August 2024
DEICHTORHALLEN HAMBURG
Die in der Schweiz geborene brasilianische Fotografin und Aktivistin Claudia Andujar (1931) stellt heute ein Vorbild für viele politisch motivierte Künstlerinnen dar. Sie zählt nicht nur zu den bedeutendsten Vertreterinnen der Fotografie Südamerikas, deren Werke in renommierten Museen wie dem MoMA in New York weltweit ausgestellt werden, sondern ist auch als Aktivistin bekannt, die ihre künstlerische
Stimme seit Jahrzehnten nutzt, um auf soziale Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen und die Rechte indigener Gemeinschaften zu verteidigen. In der Ausstellung im Phoxxi, dem temporären Haus der
Photographie der Deichtorhallen in Hamburg wird vom 9. Februar bis 11. August 2024 eine Auswahl der wichtigsten Werkgruppen Claudia Andujars vorgestellt.
Nach ihrer Flucht vor den Nationalsozialisten entschied sie sich für eine Karriere als Fotojournalistin und beteiligt sich am Kampf gegen soziale Missstände und Gewalt an ihrem neuen Wohnort Brasilien. Ab
den frühen 1970er Jahren dokumentierte sie nicht nur das tägliche Leben der indigenen Gemeinschaft der Yanomami im Amazonas im Norden Brasiliens, sondern auch die Konflikte, mit denen diese durch Bergbau, Vertreibung und Krankheiten konfrontiert sind. Die Fotografin verschreibt fortan ihr Leben und ihre Arbeit dem Kampf um die Rechte der Yanomami. Im Rahmen ihres mittlerweile fünf Jahrzehnte umfassenden Engagements zum Schutz der Yanomami sind über 60.000 Fotografien entstanden.
Viele indigene Aktivist*innen berufen sich heute auf die medienwirksame Arbeit Claudia Andujars der letzten Jahrzehnte. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Anerkennungen für ihre für ihre künstlerische Arbeit und ihr soziales Engagement, darunter den Annual Cultural Freedom Award der Lannan Foundation, New Mexico und die Goethe-Medaille. 2015 wurde Claudia Andujar in Minas Gerais, Brasilien, mit einem eigenen Pavillon geehrt, in dem dauerhaft dreihundert von der Künstlerin geschaffene Werke über die Yanomami gezeigt werden.
Über CLAUDIA ANDUJAR
ie Künstlerin und Aktivistin Claudia Andujar (geb. Claudine Haas) wurde 1931 in Neuchâtel, Schweiz, geboren und lebt und arbeitet in São Paulo. 1978 gründetete sie gemeinsam mit anderen Aktivistinnen die Kommission für die Schaffung des Yanomami-Parks (CCPY) – auch bekannt als Pro-Yanomami-Kommission. Die Kommission, die von An- dujar koordiniert wurde, organisierte die Kampagne zur Abgrenzung des Yanomami-Gebiets, um die Erhaltung und das Überleben dieses indigenen Volkes im Amazonasgebiet zu gewährleisten. Das indigene Land der Yanomami wurde 1992 von der brasilianischen Regierung anerkannt. Andujar hat den Kampf für den Erhalt des Yanomami-Vol- kes, seiner Kultur und seines Landes zu ihrer Lebensaufgabe gemacht. Claudia Andujar, Galeria Vermelho und Hutukara Associação Yanoma- mi (HAY) – eine Nichtregierungsorganisation, die von dem Yanoma- mi-Schamanen und politischen Führer Davi Kopenawa Yanomami geleitet wird – arbeiten seit 2004 zusammen. Andujar und Vermelho spenden 33 Prozent der Gewinne aus dem Verkauf ihrer Werke an HAY. Andujar entkam dem Holocaust, indem sie 1944 mit ihrer Mutter in die Schweiz floh. Ende 1946 überquerte sie den Atlantik in die USA zu ihrem Onkel, dem einzigen Überlebenden ihrer väterlichen Familie, die jüdisch war. In New York studierte sie am Hunter College, arbeitete als Reiseleiterin und Übersetzerin für die UNO und begann zu malen. 1955 zog sie nach São Paulo, um ihre Mutter wiederzufinden, die kurz nach Kriegsende nach Brasilien ausgewandert war. Ohne Portugie- sisch zu sprechen, machte Claudia die Fotografie zu einem Arbeits- mittel, um das Land kennen zu lernen und mit seinen Bewohnerinnen zu kommunizieren. In den folgenden Jahrzehnten arbeitete sie mit nationalen und inter nationalen Zeitschriften wie Life, Aperture Look, Realidade, Quatro Rodas und Setenta zusammen.
m Jahr 2000 wurde Claudia Andujar mit dem Annual Cultural Freedom [Photography] Award der Lannan Foundation (New Mexico, USA) als Menschenrechtsverteidigerin ausgezeichnet. Im Jahr 2003 erhielt sie den Severo-Gomes-Preis der Menschenrechtskommission Teotônio Vilela (São Paulo, Brasilien) und 2005 den APCA-Preis (Associação Paulista dos Críticos de Arte) für die beste Fotoausstellung mit Vulnerabilidade do Ser [Verletzlichkeit des Seins], die in der Pinacoteca do Estado (São Paulo, Brasilien) stattfand. Im Jahr 2008 wurde sie vom brasilianischen Kulturministerium für ihre künstlerischen und
kulturellen Leistungen geehrt. Im Jahr 2018 erhielt sie die Goethe-Medaille in Weimar (Deutschland) für ihren lebenslangen Beitrag zu internationalen Beziehungen. Claudia Andujar teilte sich alle Ehrungen
mit ihrem Freund und Aktivistenkollegen Davi Kopenawa Yanomami.
Andujar erhielt zwei Stipendien der Guggenheim-Stiftung (1971 und 1977) und nahm an zahlreichen Ausstellungen in Brasilien und im Ausland teil, insbesondere an der 24. und 27. Biennale von São Paulo. Die Stiftung Fondation Cartier pour l‘Art Contemporain unterstützt die Arbeit der Künstlerin zudem seit zwanzig Jahren.
Ihre Panorama-Ausstellung »The Yanomami Struggle« wurde im Mai 2023 mit Unterstützung der Fondation Cartier im MUAC in Mexiko-Stadt eröffnet, nachdem sie in verschiedenen Institutionen wie
der Fondation Cartier pour l‘Art Contemporain (Frankreich), der Triennale di Milano (Italien), der Fundación MAPFRE (Spanien), dem Fotomuseum Winterthur (Schweiz), dem Barbican Centre London
(England) und The Shed, New York (USA) zu sehen war.
Andujars Arbeiten sind in den Sammlungen bedeutender Institutionen auf der ganzen Welt vertreten, wie beispelsweise dem Museo de Arte Latinoamericano de Buenos Aires MALBA (Argentinien);
Pinacoteca do Estado de São Paulo (São Paulo, Brasilien); Museu Afro Brasil Emanoel Araujo (São Paulo, Brasilien); Museu de Arte de São Paulo Assis Chateaubriand MASP; Museu de Belas Artes (Rio de Janeiro, Brasilien); Museo de Arte Moderno de Medellín MAMM; Museum of Modern Art [MoMA] (New York, USA); Institute of Contemporary Art [ICA] (Miami, USA); TATE Modern (London, England); Maison Européenne de la Photographie (Paris, Frankreich); Fondation Cartier pour l‘Art Contemporain
(Paris, Frankreich); Museum für Moderne Kunst [MMK] (Frankfurt, Deutschland); Stedelijk Museum (Amsterdam, Holland); und Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía (Madrid, Spanien). Das Institut
Inhotim in Brumadinho (Brasilien) verfügt über eine ständige Galerie mit mehr als 300 ihrer Fotografien, die 2017 eröffnet wurde.
WEITERFÜHRENDE INTERFORMATIONEN UND LINKS
Film:
Ein Kinodokumentarfilm über Claudia Andujar von Heidi Speco-
gna (Autorin und Regisseurin / Professorin für Dokumentarfilm
Filmakademie Baden-Württemberg) kommt im April 2024 in die
Kinos. Informationen dazu beim Filmverleih W-Film, Köln, Pressekontakt: Kenan Hasic, kenan.hasic@wfilm.de
Filmtipps:
Porträt über Claudia Andujar anläßlich ihres 90. Geburtstags,
2021:
https://www.youtube.com/watch?v=poaF28yUFMc
Gespräch mit Claudia Andujar „Learning Yanomami“ über ihre
fotografische Arbeit
Film des Barbican Centre von 2021:
https://www.youtube.com/watch?v=JLCQS6zRxzk&t=193s
Interview mit Claudia Andujar anlässlich der Goethe-Medaille
2018 (mit Dt. Untertiteln):
https://www.youtube.com/watch?v=yChodar8CiQ
CLAUDIA ANDUJAR
THE END OF THE WORLD
AUSSTELLUNG
DEICHTORHALLEN HAMBURG
Ausstellung vom 9. Februar – 11. August 2024
Kuration der Ausstellung:
Viktor Hois (wissenschaftlicher Mitarbeiter Haus der Photographie)
DEICHTORHALLEN HAMBURG
Deichtorstraße 1 – 2
20095 Hamburg