Schnelllebig, spektakulär, subversiv – die derzeit aufregendste Galerie der Welt ist die Straße.
Urban Art war immer auch politisch – und zugleich dem Wandel unterworfen: Was in den 1970er und 80er Jahren mit Graffiti als rebellischem Akt begann, ist heute Teil der institutionellen Museumslandschaft oder wird als Kunst gehandelt. Murals haben ihre Wurzeln in sozialen und politischen Fragen – und doch wird das Mural Fest 2021 von der Immobiliengesellschaft Deutsche Wohnen gesponsert. Was passiert da gerade in der Urban-Art-Welt in den deutschen Städten?
Was urbane Kunst über den Zustand und die Zukunft unserer Städte verrät, wie sich drängende Themen wie Kommerzialisierung, Gentrifizierung und Feminismus in der urbanen Kunst auf der Straße widerspiegeln – dieses Spannungsfeld steht im Mittelpunkt der Doku-Serie. Durch die Frage: „Wem gehört die Stadt?“ wird der gesellschaftliche Kontext der urbanen Kunst zum durchgängigen Erzählstrang aller drei Folgen. Die Doku-Serie beleuchtet verschiedene Projekte in Deutschland, u. a. in Berlin, Frankfurt und Hamburg, aber auch in Osnabrück, Bayreuth und Wiesbaden. Zu Wort kommen Personen aus Politik, Wirtschaft und Kultur – und natürlich die Künstler:innen selbst. In Interviews und in Aktion werden das Künstlerkollektiv Innerfields, die Künstlerin Hera und der Künstler Case MaClaim porträtiert.
Folge 1: Re:volte – zwischen Protest und Vandalismus
Das Berliner Künstlerkollektiv Innerfields setzt mit dem Remake ihres Murals “Зараз” ein Zeichen der Solidarität mit der Ukraine. Im Iran wird Street Art als Protestmittel gegen das Regime eingesetzt. Weibliche Urban Artists & Graffiti-Writerinnen machen zunehmend auf sich aufmerksam – die Rebellion gegen den Status quo ist allgegenwärtig. Kriminologin Friederike Häuser erklärt, warum Männlichkeit die Szene weiterhin dominiert, Künstlerin Gita Kurdpoor spricht über ihre Erfahrungen als Künstlerin und wie sie die Proteste im Iran erlebt.
Street Art wurzelt in den 1970er und 80er Jahren, als Graffiti als junges Phänomen galt.
Künstler DAIM hat zur Geschichte der Kunstgattung eine Ausstellung kuratiert und erzählt
von den Anfängen dieser Subkultur. Nach wie vor ist der Reiz am Vandalismus nicht weniger
geworden, das bekommt auch die Deutsche Bahn zu spüren. Konzernsprecher Achim Stauß
beklagt jährliche Millionenschäden durch illegale Graffiti.
Zur ewigen Debatte, ob Graffiti Kunst oder Vandalismus ist, gesellen sich weitere Fragen:
Inwiefern ist Vandalismus Ausdruck von Protest? Welche Bedeutung hat Vandalismus für die
Geschichte der urbanen Kunst? Mit welchen aktuellen politischen Strömungen fühlt sich die
Urban-Art-Szene verbunden?
Folge 2: Re:new – zwischen Alltagskultur und Ausstellungen
Mit Festivals wie dem famOS in Osnabrück oder dem Urban Nation Museum Berlin hält die urbane Kunst endgültig Einzug in die institutionelle Kunstwelt. Künstlerin Hera hat es sich zur Aufgabe gemacht, kuratierte Räume für mehr Sichtbarkeit und Repräsentation von Frauen zu nutzen. Das von den Dixons initiierte Projekt “The Haus“, eine temporäre Street-Art-Ausstellung in einer ehemaligen Bankfiliale, avanciert zum Publikumsmagneten. Ania Pilipenko verlagert die kuratierte Ausstellung sogar ins Metaverse und bietet mit “Metawalls” die ersten Urban Art (Co-)NFTs zum Kauf an.
Urban Art ist öffentlichkeitswirksamer und zugänglicher geworden. Projekte wie die East Side Gallery in Berlin unterstützen diese Entwicklung. Der ehemalige Bürgermeister Michael Müller erklärt, welche Bedeutung Urban Art für Metropolen wie Berlin hat. Doch welches Ausmaß hat die Institutionalisierung von Urban Art erreicht? Welche Relevanz hat die Urban-Art-Szene auf dem Kunstmarkt? Ist die Szene in die Prozesse wie die Kuratierung involviert oder bringt der Kunstmarkt auch Zwänge mit sich? Die Episode wagt einen Ausblick in die Zukunft: Was passiert, wenn urbane Kunst auf Augmented Reality und das
Metaversum trifft?
Folge 3: Re:claim – zwischen Kunst und Kommerz
2021 tritt die Deutsche Wohnen als Hauptsponsor des “Berlin Mural Fests” auf und stößt damit eine Debatte an: Mit wem dürfen oder wollen Künstler:innen kooperieren und mit wem nicht? Die Dixons als Initiatoren sehen darin kein Problem, während Künstlerin Hera ihre Teilnahme abgesagt hat. Urban Art ist längst im Mainstream angekommen und das wird besonders für Investoren und Hauseigentümer interessant. Baupläne für das RAW-Gelände in Berlin lassen einen Umbruch vermuten. Auch in Frankfurt werden Freiräume knapp, wie Case MaClaim in seinem Atelier zu spüren bekommt. In Wiesbaden bemalt er eine Fassade in Kooperation mit einer Wohnungsbaugesellschaft und zeigt damit, dass nicht unbedingt
jede Kooperation etwas Schlechtes mit sich bringen muss.
Dabei ist die Street-Art-Szene, gerade in von Gentrifizierung bedrohten Städten wie Berlin, eng mit Initiativen, die für Freiflächen kämpfen, verbunden. Kollektive wie “Reclaim Your City” oder Initiativen wie “Media Spree versenken!” kämpfen seit Jahren gegen den Ausverkauf der Stadt. Mit der Kommerzialisierung entstehen neue Phänomene: Was ist Artwashing? Wie sehen gelungene kommerzielle Kooperationen aus? Vor allem aber geht es um die Frage, wem die Stadt gehört und welche Rolle Urban Art in der Stadtentwicklung, Tourismus und urbaner Kultur spielt.
Alle Videos findet ihr hier: https://1.ard.de/UrbanArt
ARD Kultur im Internet: www.ardkultur.de